derStandard.at – Meinung – Userkommentar | Tanja Duscher

Die Ablehnung der Jagd – eine Frage des Konsumverhaltens?

Fleischkonsum wird immer abstrakter und fragwürdiger. Dabei wäre es gar nicht so schwierig, qualitativ hochwertiges Fleisch von „glücklichen“ Tieren zu kaufen

Anfang März durfte ich an den Diskussionen der österreichischen Jägertagung teilnehmen. Hier fragten sich 800 Jäger, Jägerinnen und Jagdfunktionäre, warum die Jagd in der Öffentlichkeit so kritisch gesehen und immer häufiger abgelehnt wird. Mehrfach wurde vermutet, dass dies mit einem sinkenden Naturverständnis und einem fehlgeleiteten Tierschutzgedanken zusammenhängen könnte. Und natürlich ist es für Jäger und Jägerinnen unverständlich, warum ihre Art des Fleischerwerbs nicht tierschutzkonform sein sollte – schließlich werden die getöteten Tiere nicht in engen Ställen oder auf Spaltenböden gehalten, sie werden nicht über weite Strecken zum Schlachthof transportiert, und sie sterben in der Regel ohne Stress und lange Schmerzen. Ich frage mich, ob nicht vielmehr der Akt des Tötens an sich gesellschaftlich immer mehr verpönt ist.
Wo ist mein Backhendl gewachsen?

Heutzutage weiß kaum noch jemand, dass sein Schnitzel einmal gelebt hat. Zum sommerlichen Grillfest wird ein fertigmariniertes und in Plastik verpacktes Fleisch im Supermarkt gekauft. Und den Hamburgern und Leberkässemmeln in der Mittagspause sieht man nicht mal mehr die Struktur der Muskelfasern an. Fleischkonsum ist so einfach und abstrakt geworden, dass kaum ein Konsument sich darüber im Klaren ist, dass für sein Salamibrot oder seinen Backhendlsalat auch Tiere getötet werden. Es wird vergessen, dass das Töten von Tieren untrennbar zu unserem Leben gehört.
Generation Bambi

Gleichzeitig wird unseren Kindern häufig ein vermenschlichtes und romantisiertes Bild der Natur vorgespielt. So sorgte schon in meiner Generation der Tod von Bambis Mutter in den Kinderherzen für eine Ablehnung gegenüber dem bösen Jäger. Im aktuelleren Kinofilm um den Stier Ferdinand können die liebgewonnenen Akteure das tragische Ende ihres Freundes auf dem grausamen Schlachthof gerade noch abwenden. Die Beispiele sind unzählig, und die Frage ist, ob wir uns mit derartigen Filmen Vegetarier heranziehen oder unreflektierte Fleischkonsumenten, die das Töten von Tieren ablehnen.
Leider hat die heile Welt dieser Trick- und Animationsfilme nicht viel mit unserer Realität zu tun. Auch wenn wir uns dessen nicht oder nicht immer bewusst sind, im wahren Leben werden Tiere getötet: von der Mücke bis zur Mastgans, von der Schnecke bis zum Schwein. Aber ist nicht die Bewusstwerdung der erste Schritt zur Wertschätzung?
Unser täglich Schnitzel gibt uns …?

Ich habe in eine Jägerfamilie eingeheiratet und bin Vegetarierin geblieben. Im Gegensatz zu vielen anderen Vegetariern versuche ich nicht, Mitmenschen vom Verzicht auf Fleisch zu überzeugen, denn Fleischessen ist ein natürliches, menschliches Verhalten. Der menschliche Körper ist darauf ausgelegt, sowohl pflanzliche als auch tierische Nahrung zu verdauen – wir sind also biologisch gesehen Allesfresser. Ich finde, dass jeder selbst entscheiden sollte, was er essen will und was nicht.

Wenn ich Fleisch essen würde, dann würde ich jagen gehen. Und wenn ich als Jägerin einem jagdablehnenden Konsumenten begegnen würde, so wäre meine erste Frage: „Isst du Fleisch?“ Die nächste müsste lauten: „Und wer hat die Tiere, die du isst, für dich getötet?“ (Tanja Duscher, 20.3.2018)

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Tanja Duscher ist promovierte Wildbiologin. Nach langjähriger Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Universitätsinstitut machte sie sich 2018 mit einem Ingenieurbüro für Biologie selbstständig.